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Inspiriert durch die Corona-Krise, oder wie Chancen entstehen könnten




Was wir derzeit in unserer Beratung erleben, ist einzigartig. Viele Unternehmen, aber auch einzelne Menschen kämpfen um ihre Existenz. Für viele hat sich der Alltag gefühlt zum Alltagskampf transformiert. Einige ertragen das Gefühl der Einsamkeit kaum noch, andere ringen verzweifelt um ein wenig Zeit für sich, fühlen sie sich doch zwischen Home-Office, Kinderbetreuung, Home Schooling und Co. verloren. Unternehmer*innen und Geschäftsführer*innen stehen vor der Herausforderung, den eigenen Laden am laufen zu halten oder schlimmstenfalls vor dem Aus zu retten... Trotz allem soll in weiten Teilen das „Business as usual“ weiterlaufen: der Witz des Jahres!

Sowohl auf Unternehmer*innen und Führungskräften als auch auf den Mitarbeiter*innen lastet ein enormer Druck. Arbeitgeber*innen wie Arbeitnehmer*innen haben schon Berge von Artikeln und Ratgebern auf der Suche nach dem ganz individuellen Ausweg aus dem beschriebenen Dilemma verschlungen. Trotzdem suchen die Meisten weiterhin nach der passenden Lösung für sich. Vielleicht ist diese Suche auch der Grund, warum Du diesen Artikel liest?

Wenn ja, muss ich Dich leider enttäuschen. Auch ich habe das magische Rezept (noch) nicht gefunden. Gerade deswegen möchte ich mit Dir aber einige Beispiele zum Umgang mit der Krise teilen, die mich sehr inspiriert haben – und Dich hoffentlich zumindest zum Lächeln bringen werden.

C’est la vie ! Oder die Kunst der Akzeptanz und der Anpassung

Resilienz, also die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen, bzw. diese gar konstruktiv zu nutzen, ist derzeit in aller Munde. Das Prinzip der Resilienz funktioniert bei Organisationen wie Unternehmen genauso wie beim einzelnenIndividuum und bezeichnet die Fähigkeit einer Organisation, auf eine sich (auch eruptiv) verändernde Umgebung flexibel zu reagieren, sich anzupassen, um so langfristig die eigenen Ziele zu erreichen.. In Unternehmen, in denen dies gelingt, spielen u.a. eine Vision und ein klares Ziel, eine effektive Führung und die Unternehmenskultur eine große Rolle.

Ich werde das Konzept hier nicht ausführlich beschreiben, sondern mich auf zweiSchlüsselaspekte konzentrieren: die Akzeptanz und die Lösungsorientierung.

Viele Führungskraft und Mitarbeiter*innen, verspüren bei Schwierigkeiten, unerwünschten Veränderungen oder Krisen, den Wunsch, den alten Zustand wieder herzustellen und den Impuls, zu überlegen „was wäre gewesen, wenn …“. Typisch ist auch die Suche nach Schuld. Diese Reaktionen sind aus psychologischer Sicht ein ganz normaler Prozess, genauso wie die Achterbahn der Gefühle, in der sich Menschen in Situationen extremer Veränderung wiederfinden: Trauer, Wut, Angst, Hoffnung…der Mensch muss ein Verständnis für eine Situation entwickeln und die Veränderung auf der Gefühlsebene verarbeiten, bevor er wieder (souverän) handeln kann. Seht ihr den Bezug zur Corona-Situation?

Egal wie stark unser persönliches Umfeld – das private wie berufliche - von der Corona-Krise betroffen ist, mussten wir als Menschen erst einmal verinnerlichen, dass unser Beitrag zur Minderung der Infektionswelle darin besteht, dass wir (allein) zu Hause bleiben. Die Unwissenheit, wie und wie lange es so weitergeht, sowie das Gefühl der Machtlosigkeit sind nach wie vor sehr frustrierend und können zur Verzweiflung führen. Die Gastronomie ist leider ein allzu bekanntes Opfer der Krise. Jedoch, so schwierig es für alle momentan ist, werden wir mit „was wäre gewesen, wenn…“ die Krise sowohl privat als auch beruflich nicht meistern. Weiterkommen werden wir dann, wenn wir erkennen, dass das, was passiert, zwar nicht im großen Ganzen, aber doch im Kleinen verändern können. Doch was bringt uns diese Erkenntnis?

Wir haben zwei Möglichkeiten:

  1. Uns über die Situation zu ärgern, zu verzweifeln und uns beständig wünschen, dass alles anders wäre, ist eine Möglichkeit. In den letzten Monaten wurde die Kunst des Meckerns (mit unter Umständen guten Gründen) in einem Maße perfektioniert, dass viele von uns als „zertifizierte Meckerziegen“ gelten können (ja, Zertifikate sind wichtig). Aber vielleicht ist es Zeit für die zweite Möglichkeit…

  2. Nämlich zu akzeptieren, dass die Situation schwierig und einzigartig ist. Denn nur so besteht die Möglichkeit, sich auf das zu konzentrieren, was von uns tatsächlich in unserem Kontext geändert werden kann. Besonders als Unternehmer*innen oder Führungskraft finde ich es wichtig, nach vorn zu schauen und kurz- wie mittelfristig handlungsfähig zu bleiben.

Lauschen wir auf den Kritiker in uns oder auf die besagte Meckerziege, stoßen wir vermutlich auf so einigen Widerstand, fordern andere Anteile von uns, sich mit der Situation, wie sie ist, abzufinden. Vielleicht kurz dazu: Akzeptanz bedeutet nicht aufzugeben und den Kopf in den Sand zu stecken. Akzeptanz bedeutet auch nicht, die Realität schönzufärben. Eine Situation zu akzeptieren heißt, eine Situation realistisch zu betrachten und einzuschätzen, welche Handlungsmöglichkeiten sich uns erschließen: Was kann ich in der Situation ändern bzw. worauf habe ich Einfluss, sind Fragen, die helfen, neue Wege zu finden. Das heißt: die Situation lösungsorientiert anzugehen und (neue) Strategien bzw. Handlungsansätze zu entwickeln.

Wie sieht es in der Realität aus? Viele der Akteure, die für sich und ihr Unternehmen neue Ideen entwickelt und umgesetzt haben, sagen in Interviews von sich, dass sie nicht mehr passiv bleiben wollten oder konnten, sondern aktiv werden wollten oder mussten. Für ihre Firma aber auch für die eigene geistige Gesundheit. Die gute Nachricht dabei ist: Eine solche Haltung fördert die Kreativität!

Lösungsorientiert und kreativ denken

Es gibt zahlreiche Beispiele von Unternehmer*innen oder Mitarbeiter*innen, die sich trotz oder gerade dank der Krise weiterentwickelt, bzw. neue Ansätze ausprobiert haben. Eine Studie des KFW Research zeigt, dass insgesamt 43% der mittelständischen Unternehmen in Deutschland aufgrund der Corona-Krise Anpassungen am Produkt-/Dienstleistungsangebot, ihrem Vertrieb sowie im Geschäftsmodell vorgenommen haben. Zählt man auch die Unternehmen hinzu, die dies noch planen, kommen wir auf 57%. In der eigenen Beratung im Projekt #4.0 – Blended Working sehen wir, dass viele KMU sich schon vor Corona mitten in einem Wandlungsprozess befanden, der nicht nur die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen umfasste, sondern vielmehr auf die Gesamtstrategie des Unternehmens sowie bestehende Prozesse zielte. Die Corona-Krise hat die Geschwindigkeit dieses Prozesses nur beschleunigt.

- Hut ab vor der kreativen Gastronomie

Weil Aperitifs in Frankreich enorm wichtig sind, werde ich mit dem Beispiel der digitalen Verkostung anfangen. Mehrere Weinhändler kamen im ersten Lockdown auf die Idee, digitale Wein- und Käseverkostungen anzubieten. Und das sieht so aus: Vor der eigentlichen Verkostung wird eine Box versendet, die leckere Produkte – Wein, Käse, etc. - enthält. Die eigentliche Verkostung findet dann online statt und ist ähnlich aufgebaut wie in Präsenz: neben den Leckereien werden die Kunden mit vielen interessanten Informationen verwöhnt, einige Firmen bieten sogar virtuelle Führungen, z.B. durch eine Distillery, an. Das Konzept ist sehr erfolgreich.

Mehrere Restaurants haben in Anlehnung an dieses Konzept „Menü-Boxen“ konzipiert und liefern ausgezeichnetes Essen nach Hause. Selbst Sternrestaurants folgen diesem Trend mit einem interessanten Angebot. Andere Betriebe haben aus ihrem eigentlichen Geschäftszweck (Restaurant oder Café) etwas komplett anderes gemacht. So sind neue Weinhandlungen entstanden (ja, die Zahlen im Weinverkauf sind seit einem Jahr stark gestiegen) oder das ursprüngliche Angebot wurde verfeinert: Waffeln als Soul Food, Glühwein in der Winterzeit, etc.

- Die Digitalisierung ist überall

Auch wenn nicht immer alles reibungslos funktioniert, haben viele Unternehmen ihr Angebot digitalisiert. Im Bildungsbereich gibt es einige Erfolgsgeschichten. Es werden immer mehr digitale Coachings und Fort- wie Weiterbildung angeboten. Bildungseinrichtungen nutzen Online-Plattformen und selbst im sozialen Bereich findet ein Teil der Beratung online statt. So konnte das Zentrum für Kommunikation und Beratung (3) in Berlin-Friedrichshain, das Familien in schwierigen Situationen aber auch Kinder mit Hör- und/oder Sprachbeeinträchtigung unterstützt, dank der Digitalisierung einige ihrer Angebote für Familien und Kinder weiterhin aktiv sein.

Und auch in schon digitalen Bereichen wie der Modebranche wurde das Angebot ergänzt. Einige Marken haben Mitarbeiter*innen in den Filialen stehen, die live online-Beratung durchführen, in dem sie mit einem Tablet durch die Kollektion gehen und ihre Kunden Artikel empfehlen. Hat der Kunde ausgewählt, werden die Waren versendet.

- Verrückt und unerwartet

Einige Unternehmen haben sich komplett aus ihrer Komfortzone bewegt und „verrückte“ Ideen entwickelt und umgesetzt. So zum Beispiel die Destillerie „Wanderer Destillerie“ aus Köln, die in “normalen” Zeiten Gin herstellt. In der Corona-Krise hat der Gründer seine Gin-Brennerei umgewandelt, um Desinfektionsmittel herzustellen - ganz wie die große Konkurrenz aus dem Bereich Kräuterschnaps, die Firma Jägermeister.

La crème de la crème der unerwarteten Ideen ist für mich die Firma Kisselmühle in Deutschland, die u.a. Trekking mit Lamas, Kamelen oder Rentieren anbietet. In Zeiten der Kontakt- und Reisebeschränkungen mussten sie überlegen, wie sie ohne Tourismus überleben können - und hatten die kreativste und lustigste Idee überhaupt: ihre Tiere für 10 Minuten an Videokonferenzen teilnehmen zu lassen! So ist es möglich, ihre Einrichtung und die Pflege der Tiere zu unterstützen und dabei großen Spaß im Meeting zu haben.

- Durch die Krise entsteht Solidarität und Innovation

Einer der Aspekte, die mir am Herzen liegen, ist, dass die Corona-Krise zu zahlreichen Solidaritätsaktionen geführt hat. So bieten z.B. Taxidienste oder der „BerlKönig“ von der BVG zwischen 21 und 6 Uhr kostenlose Fahrten für Pflegekräfte. Auch große und bekannte deutsche Konzerne stellen medizinisches Personal zur Verfügung oder produzieren im 3D-Druckverfahren schnell medizinische Teile, die an Krankenhäuser geliefert werden.

Im Bereich der Gastronomie stellt Too Good To Go, ursprünglich bekannt für seine App gegen Lebensmittelverschwendung, seine Plattform vorübergehend gastronomischen Betrieben zur Verfügung, damit diese während der Krise Essen aus ihrem regulären Menü als Take-Away anbieten können.

Inspiriert und positiv nach vorn schauen

All diese Beispiele – die nur eine kleine Auswahl sind - zeigen, dass aus schwierigen Situationen Chancen entstehen können. Dank der Akzeptanz dessen, was nicht zu ändern ist, und der Konzentration auf das, was zu ändern ist, ist es möglich, Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln und die Kreativität zu fördern. In diesem Prozess helfen die Suche nach Inspiration, der Austausch und eine Prise Humor sehr.

Für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen empfehlen wir frühere Artikel unseres Teams darüber, wie im Unternehmen eine Vision und eine klare Strategie entwickelt werden kann, oder was eine gute Führung ausmacht. Denn auch diese Themen haben in der Corona-Zeit an Bedeutung gewonnen.


Von Sandra Morel, Beraterin im Projekt #4.0 - Blended working

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