Die Entwicklung eines werteorientierten Leitbildes im Sinne von New Work.
Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) brauchen eine Identität, Werte und eine sich aus diesen Komponenten entwickelnde klare Strategie. Das ist oft gesagt und geschrieben worden. Aber wie funktioniert ein solcher Prozess der Identitäts- und Strategieentwicklung? Das Unternehmensleitbild könnte eine Lösung sein. Im Leitbild werden Erwartungen, Werte und Geschäftsgrundlagen definiert, die sowohl für die Geschäftsführung als auch für Mitarbeiter*innen, Kunden bzw. Geschäftspartner*innen bindend sind. Warum ein Leitbild hilfreich sein kann und wie man eines entwickelt, darüber erfahren Sie hier mehr. - von Sandra Morel, Beraterin

Purpose (auf Deutsch Zweck), Inspiration, Motivation, Mitarbeiterzufriedenheit, Identifizierung, etc.
Zahlreich sind die – gern auch englischen – Begriffe, die man im Zusammenhang mit der digitalen Transformation und New Work hört. Ich gebe es zu: Das kann etwas überfordernd sein. Sowohl in der New Work Theorie als auch im Rahmen der Digitalisierung ist das Ziel folgendes: Um einen langfristigen Erfolg bzw. das Überleben einer Firma zu gewährleisten, sollte man sich nicht nur auf Preise und Konkurrenz fokussieren, sondern auch und besonders die Werte und die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Geschäftspartner berücksichtigen. Ich höre schon: Das klingt ja schön, aber wie geht das?
Vom klassischen Leitbild zu einer werteorientierten Strategie des New Work
Unternehmensstrategien wurden lange sehr wirtschaftlich entwickelt. Ein Leitbild, das die Definition einer Vision (Wo wollen wir hin?), einer Mission (Was ist unsere Aufgabe?) und von Unternehmenswerten (Welche Werte sind uns im täglichen Geschäft wichtig?) umfasst, war und ist immer noch ein Tool zur Etablierung einer Gesamtstrategie für ein Unternehmen.
Früher war das Leitbild eher eine Grundlage der internen und externen Kommunikation, in der sich Unternehmen viel mehr mit ihrer Vision und ihrer Mission beschäftigt haben. Eine Wertearbeit wurde zwar geleistet, aber die Werte selbst wurden in den seltensten Fällen tatsächlich gelebt und erlebt. Das ist
einer der Gründe, warum viele Unternehmer*innen bei der Erwähnung eines Leitbildes die Augen
verdrehen.
Schon bevor der Einfluss der Werte auf den Unternehmenserfolg wissenschaftlich bewiesen wurde, entwickelte der Philosoph und Anthropologe Frithjof Bergmann eine Vision für Neue Arbeit, "New Work“, und bot damit eine Alternative zu klassischen kapitalistischen Arbeitsmodellen, in der Werte eine große Rolle spielen. Der positive Effekt von gelebten Werten im beruflichen Umfeld sowohl auf die Unternehmenskultur als auch auf die Mitarbeiterproduktivität steht seitdem im Fokus der Forschung.
Zahlreiche Studien sowie Bücher erläutern das Konzept des "New Work”. „Eine Organisation ohne
Sinn ist eine Organisation ohne Seele, ohne Atem, ohne Vitalität. Erst ein echter Sinn […] beflügelt
die Menschen und spricht das Produktiv-Soziale im Menschen an“, so Markus Väth, Psychologe, Autor und Vertreter des New Work.
In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies für KMUs also von großer Bedeutung. Wie entwickelt man ein Leitbild und worauf ist dabei zu achten? Jetzt wird es konkreter.
Die Entwicklung eines werteorientierten Leitbildes
Das Verfahren zur Leitbildentwicklung hat sich über die Jahre wenig gewandelt. Folgende drei Punkte sind ein fester Bestandteil und werden im Prozess erarbeitet:
Mission: Welches Problem lösen wir mit unserem Produkt oder unserer Dienstleistung? Was bieten wir an?
Vision: Was möchten wir damit kurz-, mittel- oder langfristig in Hinsicht auf die Marktentwicklung verändern bzw. bewegen? Bei KMU wird zumeist ein Betrachtungszeitraum von 3 – 5 Jahren empfohlen.
Werte: Welche Werte sind bei der Zielerreichung handlungsleitend? Welche Werte sollen unsere Mitarbeiter*innen erleben und nach außen transportieren?
Am bestens werden diese Fragen in einem Workshop bearbeitet, denn sie zu beantworten erfordert Zeit und viele Anstöße zum Nachdenken. Im Prozess ist die Anwesenheit der Leitung zwar wichtig, aber je nach Unternehmensgröße sollten Mitarbeiter*innen oder zumindest das mittlere Management miteinbezogen werden.
„So viele Leute ...?“ mögen Sie denken? Ja, weil alle Mitarbeiterebenen in einer Organisation in der Philosophie des New Work wichtig und damit einzubeziehen sind. In der Arbeit mit Werten steht der je individuelle Mensch im Mittelpunkt der Organisation und des Leitbildprozesses. Gute und motivierte Mitarbeiter sind die Grundlage eines erfolgreichen Geschäfts, so dass die Mitarbeitersuche und -bindung in Zeiten von Fachkräftemangel zu den entscheidenden Aufgaben der KMU zählt.
Im Sinne des New Work beeinflussen die Werte die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen. Zufriedenheit wiederum führt zu Motivation und Motivation ist schließlich der Antrieb der Produktivität, so Markus Väth. Deshalb wird besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen empfohlen, die Mitarbeiter*innen im Prozess der Leitbildentwicklung miteinzubeziehen.
Den gesellschaftlichen Wertewandel berücksichtigen
Außerdem erlebt die Gesellschaft einen Wandel der Erwartungen, die gerade die jüngere Generation an die Arbeitswelt richtet. Dies ist nichts neues und wird alle paar Jahre mit viel Lärm und anhand schöner kluger Begriffe angekündigt. Fakt ist trotzdem: Wo viele ältere Mitarbeiter Zufriedenheit u.a. in der Sicherheit eines stabilen Arbeitsverhältnisses gefunden haben, werden neue Generationen durch Werte und Purpose (à propos kluge Wörter) motiviert.
Zahlreiche Experten aller Branchen definieren die Bedürfnisse der Generation Y (1) als eine Suche nach Selbstbestimmung und Selbstgestaltung des Arbeitsalltags. Autonomie, Freiheit, Sinn und Erfüllung werden in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnt. Eine Studie des Zukunftsinstituts ivon aus dem Jahr 2013 bestätigt diese Annahme. Die jüngste Generation am Arbeitsmarkt ist intrinsisch motiviert. Die bloße Vision und die Mission einer Firma genügt ihr nicht mehr zur Identifikationsstiftung.
Der Fokus auf Werte wird dadurch erforderlich und stellt die Unternehmen vor eine große Herausforderung: eine offene und auf Austausch basierende Arbeitskultur zu schaffen, in der alle Generationen geschätzt und einbezogen werden. In anderen Worten, eine attraktive Organisation, die generationsübergreifende Werte ebenso anbietet wie flexible Arbeitsmodelle.
Denn laut der ivon-Studie sind eine gute Arbeitsatmosphäre und funktionierende Teamarbeit die wichtigsten Kriterien für junge Arbeitnehmer*innen. Dicht gefolgt von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und schließlich kürzeren Arbeitszeiten. Frauen und Männer unter 25 Jahre in Deutschland möchten idealerweise nicht mehr als 25 bzw. 28 Stunden pro Woche arbeiten (2).
Der Einfluss des Leitbildes in vielen Bereichen der Organisation
In der Definition eines Leitbildes spielen die Werte der Geschäftsführung und der Mitarbeiter*innen eine bedeutende Rolle. Ein Leitbild sollte zwar die Mission und die Vision eines Unternehmens abbilden, aber auch bestmöglich authentisch und inspirierend sein. Hauptsache ist aber, das Leitbild wird von den Führungs- und Fachkräften gelebt und die Wirkung macht sich in den verschiedensten Teilen der Organisation bemerkbar, von der Personalabteilung bis hin zu interner und externer Kommunikation, Vertrieb und Marketing aber auch in der Verwaltung.
Ein (poetisches) Bild für ein Leitbild wäre ein Firmenkompass. Wie beim Navigieren mit dem Kompass hilft das Leitbild, dem Kurs zu folgen, Unternehmensziele im Auge zu behalten und kann im Tagesgeschäft leiten. Es führt auch dazu, eine angenehme Unternehmenskultur erleben und anbieten zu können. Nicht zuletzt zieht ein zeitgemäßes Leitbild gute Mitarbeiter*innen an und bindet sie. Genau wie beim Navigieren muss man den Kompass immer wieder prüfen und sicherstellen, dass man in die richtige Richtung fährt. Die Entwicklung der Gesellschaft und des Arbeitsmarktes erfordert alle paar Jahre Anpassungen eines Geschäftsmodells und somit auch des Leitbildes.
Sind Sie überzeugt oder haben Sie noch Fragen zum Thema? Unser Team steht Ihnen zur Verfügung und freut sich auf jede Anfrage!
(1) Values congruence and differences between the interplay of personal and organizational value systems, Prosner und Schmidt, 1993
(2) Generation Y – Das Selbstverständnis der Manager von Morgen, Zukunftsinstitut GmbH - Internationale Gesellschaft für Zukunfts- und Trendberatung, 2013
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